18. August 2022

Im Reich des schaffenden Geistes

Im Rahmen der X. Moskauer Kon­ferenz für inter­natio­nale Sicher­heit redeten sowohl Präsi­dent Putin als auch Vertei­digungs­mini­ster Schoigu Klar­text. Thomas Röper hat Putins Rede über­setzt und mit einer kurz­weiligen Ein­leitung versehen: „Putins Abrech­nung mit den west­lichen Eliten“.

Der Beitrag von Schoigu setzte noch eins drauf – man könnte ihn als „Schoigus Abrech­nung mit der NATO“ bezeichnen. Die Rede ist unge­wöhnlich inhaltsreich und unter­streicht erst­mals die Rolle Schoigus als eine Art bewaff­neter Co-Außen­minister, der weniger Diplo­matie betreibt, sondern das Gelände für die Mitwirkenden sichert, auf dem diplo­matisch vorbereitete Aufbau-Bemühun­gen gedeihen können. In der Zusam­men­arbeit von Russland und China zur Wieder­belebung Afghani­stans über­nimmt Russland z.B. die militä­rische Absiche­rung gegen anglo-amerika­nische Umtriebe und China kümmert sich um die Finan­zierung der Infra­struktur­projekte. Diese neue Art der Arbeits­teilung erfordert im Vorfeld Ver­hand­lungen auf präsidialer, diploma­tischer und militä­rischer Ebene und begründet die ver­änderte Rolle des Vertei­digungs­ministers.

Der Kampf um das Ende der Geschichte
Die SMO (spezielle Militäroperation) in der Ukraine ist untrennbar mit dem Konzept „Ende der Geschichte“ von Fukuyama verbunden. Alexander Dugin skizziert das Ende als Ziel der Entwicklung eines Reiches der Ideen und Bedeutungen, das Reich eines Geistes, der sich entfaltet. Nichts anderes ist – Eurasien.

PDF: Kampf um das Ende der Geschichte

Eurasische Integration – too big to fail
Pepe Escobar beschreibt das Reich des schaffenden Geistes aus Sicht des Praktikers: Die Vernetzung des inneren Eurasien ist eine Übung in tao­isti­schem Gleich­­gewicht. Stück für Stück, geduldig, zu einem gigan­tischen Puzzle zusam­menfügen. Das erfordert Zeit, Geschick, Weitblick und natürlich große Durch­brüche.

PDF: Eurasisches Puzzle


Und was treibt das Imperium so?
Der Sprecher des russi­schen Auslands­geheim­dienstes sagte: „Die west­lichen Kuratoren haben das Kiewer Regime schon fast abge­schrieben und arbeiten mit Hoch­druck an Plänen für die Auf­teilung und Beset­zung zumindest eines Teils der ukrai­nischen Gebiete.“ Nach seiner Ansicht steht jedoch weit mehr auf dem Spiel als die Ukraine: Für Washing­ton und seine Ver­bündeten geht es um das Schicksal des kolonialen Systems der Welt­herrschaft.

PDF: Aufteilung der Ukraine


Liz Truss möchte die Zeit zurück­drehen
Wahn­hafte, macht­hungrige Techno­kraten haben sich als absolut ent­schlossen erwiesen, die Welt nicht nur in die glorreichen Tage der britischen imperialen Geopolitik des 19. Jahr­hunderts zurück­zu­schleudern, sondern sogar noch weiter zurück in die Hoch­phase des mittel­alterlichen Feuda­lismus, wenn auch mit einigen modernen techno­kratischen Modifi­kationen. Matthew Ehret über die britischen Oligar­chen.

PDF: Global-Britain-Agenda


Westliche Unruhestifter sind in der Ukraine, im Kosovo und China unter­wegs
Trotz des Aufstiegs Chinas und Russlands und der un­auf­halt­samen Ent­wick­­lung der Welt zur Multi­polarität sterben imperiale Gewohn­heiten nur langsam – bis sie gegen eine Mauer der Realität stoßen, wie es derzeit in der Ukraine geschieht und in Taiwan geschehen wird. Außerdem braut sich im NATO-Bombotop Kosovo etwas zusam­men, das am heutigen Tag in Brüssel vom Außenlemming Borrell in die Wege geleitet wird.

PDF: Destabilisierungs-Dreieck


Regelbasiertes Chaos in Syrien
Die USA, Israel und die Türkei machen aus unter­schied­lich­sten Gründen Unord­nung: mit mannig­faltigen Ziel­setzungen und mehr oder weniger gemäßig­ten Handlanger-Rebellen, Kurden, Dsch­ihadisten, Fremden­legionä­ren aller Art, denen die Zustände in der Ukraine zu hart sind.

PDF: Keine Einigung in Syrien


Es ist erst vorbei, wenn die Fat Lady singt
Und die Dicke Dame macht sich bereit: Russland schlägt einen neuen inter­natio­nalen Standard für den Handel mit Edel­metallen vor, den Moskau Welt-Standard (MWS), der eine Alter­native zur London Bullion Market Asso­ciation (LBMA) werden soll, die die Edel­metall­märkte syste­matisch manipuliert, um die Preise zu drücken. Es soll ein neuer Markt für Gold, Platin usw. geschaf­fen werden, der von den Ländern reguliert wird, die die Res­sourcen für diese Metalle kontrollieren. Dies wäre, einfach ausgedrückt, eine Revo­lution. Auf der Grund­lage dieses neuen Marktes soll das System des bila­teralen Handels in natio­nalen Währungen, das ins­beson­dere Dollar, Euro und Pfund aus­schließt, weiter­entwickelt werden.

PDF: Neuer Standard für den Edelmetallhandel

PDF: Die Dicke Dame singt – Konkurrenz fuer LBMA


Transformation in Nahost
In der arabischen Welt stehen große Verän­derun­gen bevor. Die ver­bindende neue Idee besteht in der Zusam­menarbeit, um eine neue Region zu schaffen, ähnlich wie Europa, nachdem es das Mittelalter hinter sich gelassen hat und in die Moderne einge­treten ist. Der „neue Regio­nalismus“, wie dieser Ansatz genannt wird, geht von innen­politischen Reformen aus und erstreckt sich auf die regio­nale Kooperation und die Entschär­fung regionaler Konflikte und Spannungen.

PDF: Wandel in der arabischen Welt


Wenn die Zweiheit demontiert wird
Hegel bei Dugin, Nietzsche bei Alastair Crooke – die Zwei­heiten werden uns ab 20. August 2022 bis Ende März 2023 auf Trab halten, denn Mars läuft in dieser Zeit im Zwilling hin und her. Die „Geburt der Tragödie“ definierte die Zweiheit der mensch­lichen Natur – ihre tren­nenden und heimfüh­renden Verlangen – so, dass die vermeint­lich apolli­nischen Tugenden der Vernunft und Ord­nung in gewalt­samem psychischen Gegen­satz zu den dyonisisch-chaotischen Kräften der ent­fesselten mensch­lichen Urenergie, symbo­lisiert als Feuer, stehen. Für Nietzsche (wie auch für die Antike) waren beide Pole für das Gleich­gewicht und die Harmonie in den mensch­lichen Angele­gen­heiten notwendig. Die säkulare Aus­löschung der Trans­zendenz, durch die die Menschheit einen Sinn finden konnte, indem sie sich auf eine andere Ebene des „Ver­stehens“ erhob, war jedoch nur der Start­schuss für ein Fließ­band, das in der Tragödie endete.

PDF: Geburt der Tragödie

Wir werden viel für die ästhe­tische Wissen­schaft gewonnen haben, wenn wir nicht nur zur logischen Einsicht, sondern zur unmittel­baren Sicher­heit der Anscha­uung gekom­men sind, dass die Fort­entwick­lung der Kunst an die Duplizität des Apol­lini­schen und des Diony­sischen gebunden ist: in ähnlicher Weise, wie die Gene­ration von der Zweiheit der Geschlech­ter, bei fort­währen­dem Kampf und nur perio­disch eintre­tender Versöhnung, abhängt. Diese Namen entlehnen wir von den Griechen, welche die tief­sinnigen Geheim­lehren ihrer Kunst­anschau­ung zwar nicht in Begriffen, aber in den ein­dringlich deutlichen Gestalten ihrer Götter­welt dem Ein­sichtigen vernehmbar machen. (Nietzsche)


Von allen guten Geistern verlassen …
„Und so ist Scholzens Strategie, gezielt militä­risches Gerät in die Ukraine zu schicken, um Putin nicht zu ver­ärgern, eine Grat­wanderung. Berlin will einen beacht­lichen Beitrag leisten, der aber unbe­merkt bleibt. Das ist ein bisschen so, als würde man mit einer Erbsen­pistole und einer Tüte Mehl kämpfen und erwarten, dass man den Tyrannen auf dem Spiel­platz besiegen kann. Das kann nur mit Tränen und weißen Gesichtern enden.“

PDF: Schampus im Führerbunker